Freitag, 9. Oktober 2015

Resonanz/ Resonanzerfahrung (Hartmut Rosa)



In seinem Buch: Beschleunigung. Die Veränderungen der Zeitstrukturen in der Moderne analysiert Rosa (2005) die modernen/ spätmodernen Zeitstrukturen, die vor allem durch soziale Beschleunigungsprozesse geprägt sind. Diese bringen nach Rosa eine neue Form sozialer Entfremdung hervor und stehen dem eines ‚Guten Lebens‘ entgegen (Rosa 2013). Rosa übt vor allem Kritik an den spätmodernen Zeitverhältnissen, die durch Beschleunigung, Zeitdruck, ständige Unterbrechungen und Leistungsdruck gekennzeichnet und mit Burnout- sowie Stresserfahrungen verbunden sind. Diese stellen sich nach Rosa als ungünstige Bedingungen für Resonanzerfahrungen in den Beziehungen zur Welt dar.

Resonanz als Begriff in der Physik  bedeutet „mitklingen“ oder ‚mitschwingen‘ in einem ‚schwingungsfähigen System‘.  Rosa bezieht diesen Begriff der  Resonanz  auf eine authentische Weltbeziehung: „Gelingende Weltbeziehungen sind solche, in denen die Welt den Handelnden Subjekten als ein antwortendes, atmendes, tragendes, in manchen Momenten auch wohlwollendes, entgegenkommendes oder »gütiges«  »Resonanzsystem« erscheint.“ (Rosa 2013:9); was so etwas, wie auf einer Wellenlänge schwingen, mit dem, was den Menschen umgibt - ähnlich dem des physikalischen Begriffs – heißt.  

Weltbeziehungen definieren, das In-die-Welt-gestellt-Sein des Menschen im passiven wie im aktiven Sinne (vgl. Rosa 2013:7). Der Mensch erfährt einerseits die Welt – als subjektive, objektive und soziale - in der er lebt und andererseits greift er aktiv durch sein Handeln in sie ein.

Resonanz definiert das Gefühl, dass der Mensch in diesem Weltverhältnis hat,  wenn er mit sich selbst, mit Anderen,  mit Objekten oder der Natur in so etwas wie einer guten Verbindung,  im Einklang steht. Es ist das Gefühl des Authentisch- und des Lebendig-Seins. Authentisch und lebendig ist ein Mensch vor allem dann, wenn er sein kann, wie er ist.

Resonanz bedeutet Anerkennung von Anderen, Sinnvolles  zu tun  und erreichen zu können und  sich dabei als selbstwirksam zu erleben. Es bedeutet Kontakt mit Anderen, in diesen sich vom Anderen akzeptiert zu fühlen, sich in den Anderen hineinversetzen zu können und Antworten zu bekommen. Resonanz kann in allen Bereichen, wie u.a. bei der  Arbeit, in Kunst, Natur und Religion oder auch in der Familie gespürt werden.

Allerdings müssen entsprechende Rahmenbedingungen vorhanden sein. Nach  Rosa braucht es vor allem Zeit und eine ungestörte Handlungs-Situation, um Resonanz zu erfahren.

Resonanzerfahrungen sind etwas sehr Individuelles, nicht jeder spürt in derselben Situation  die gleiche Resonanz, wie der Andere. Es kommt immer darauf, wie sehr sie ihn auch emotional berührt. Resonanzerfahrungen zeigen sich als  identitätsstiftend und berühren das Handeln, Denken sowie das Emotionale des Individuums.

Begriffe wie Empathie, das  Gefühl von Selbstwirksamkeit oder  das des Flow-Erlebens  stehen dem der Resonanz sehr nahe.

Rosa sieht ausreichend Resonanzerfahrungen als Grundlage für ein gelingendes Leben an und bringt sich damit mit ihrem Bezug zur Zeit in die hochaktuelle Zeitwohlstandsdebatte wie in die Diskussionen um ein ‚Gutes Leben‘ ein.

In seinem neuen Buch: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, das Anfang 2016 erscheinen wird, diskutiert Rosa stabile Resonanzverhältnisse in den Beziehungen zur Welt als Lösung zur sozialen Beschleunigung und stellt den Rahmen einer neuen Theorie vor. Hoffen wir, das Rosa konkrete Lösungen auf die Zeitprobleme von heute Lösungen anbieten kann.


Literaturhinweise:

Rosa, Hartmut (2005): Beschleunigung. Die Veränderungen der Zeitstrukturen in der Moderne. Frankfurt/M.

Rosa, Hartmut (2012): Weltbeziehungen im Zeitalter der Beschleunigung. Umrisse einer neuen Gesellschaftskritik. Berlin.

Rosa, Hartmut (2013): Beschleunigung und Entfremdung. Berlin.

Rosa, Hartmut (2014): Resonanz statt Entfremdung: Zehn Thesen wider die Steigerungslogik der Moderne. In: Konzeptwerk Neue Ökonomie (Hrsg.): Zeitwohlstand. Wie wir anders arbeiten, nachhaltig wirtschaften und besser leben. München. S.  63-72.

Rosa, Hartmut (2016):  Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin. (erscheint im März 2016).

Schnabel, Ulrich (2014): „Hier kann ich ganz sein, wie ich bin“. Warum wir am glücklichsten sind, wenn wir mir anderen mitschwingen können. Ein Gespräch mit Hartmut Rosa. Im Internet: http:www.zeit.de/2014/34/hartmut-rosa-ich-gefühl

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