Nach Coser (2015) haben sich mit
der Moderne Organisationen bzw. Institutionen als soziale Einheiten
herausgebildet, deren Ziel es ist, das ganze Individuum zu vereinnahmen. Mit zunehmender Differenzierung und
Komplexität in einer Gesellschaft ist
der Einzelne in vielen verschiedenen sozialen Netzwerken mit unterschiedlichen
Rollen eingebunden und somit müssen organisierte Gruppen um ihre Mitglieder
konkurrieren, um sie ganz für sich zu gewinnen und für ihre Zwecke nutzen zu
können.
Insbesondere Zeit ist in einer
von Zeitnot geprägten Gesellschaft eine sehr knappe Ressource. Deshalb wollen „gierige Institutionen“ so viel Zeit wie
möglich im Alltag der Individuen
beanspruchen. Denn: „Der Kampf um
die Aneignung der Zeit und psychischer Energie ist genauso eine Wurzel des
sozialen Lebens wie der Wettbewerb um knappe Ressourcen in ökonomischen Belange.“ (Coser 2015: 11)
Zeitkonflikte gibt es solange
nicht, solange es möglich ist, die einzelnen sozialen Bereiche gut
auszubalancieren und keiner in den anderen vordringt. Ist beispielsweise
Arbeitszeit durch Arbeitszeitgesetze genau begrenzt, ermöglicht es dem
Einzelnen die verbliebene Zeit außerhalb der Arbeitszeit, mit seiner Familie, mit
seinen Freunden, Hobbys etc. zu verbringen. Mit dem Verschwimmen der Grenzen
zwischen Arbeit und Freizeit beispielsweise durch ständige Erreichbarkeit oder
als ‚Arbeitender Kunde‘ dringt die Arbeitswelt mehr und mehr in das private
Leben hinein und vereinnahmt die gesamte Persönlichkeit zum Zwecke der
Gewinnmaximierung von Unternehmen.
‚Gierige Institutionen‘ beruhen dabei auf freiwilliger ‚Mitgliedschaft‘
und werden nicht etwa durch äußere Zwänge zusammengehalten. Individuen entscheiden
sich aus freien Stücken zu ‚Gehorsam‘ und ‚Engagement‘ in der Gruppe. Obwohl
sie keinen Zwang benötigen, um den Einzelnen zu gewinnen, üben diese
Organisationen eine große Macht aus.
Soziale Netzwerke, wie Facebook ,
Whatsapp & Co zählen zu diesen ‚gierigen Institutionen‘ , vereinnahmen uns
und unsere Alltagszeit und kontrollieren uns/sie komplett, um höchstmögliche ökonomische
und persönliche-Daten-Gewinne zu erzielen. Sie instrumentalisieren private soziale Beziehungen für sich und ihren
Zweck.
Mitglieder sozialer Netzwerke
haben sich freiwillig auf diesen angemeldet, denn sie sind hoch attraktiv. Mit Hilfe sozialer Netzwerke können sie sich
mit anderen virtuell auf schnellem Wege, jederzeit und raumübergreifend austauschen
und sie fühlen sich mit den Anderen und mit ihrem Netzwerk verbunden. Wer nicht in den sozialen Netzwerken dabei
ist, wird schnell ausgegrenzt, denn es machen ja schon die meisten mit. Sich
Online darzustellen und seine Identität zu formen, wird zur Pflicht. Soziale
Netzwerke haben einen ‚gierigen Charakter‘,
sie wollen Daten aus allen Bereichen des privaten Lebens, um sie möglichst
gewinnbringend zu verkaufen. Nutzer werden zu ‚Datenlieferanten‘ für den Internet-Markt. Dazu ist es notwendig möglichst
viele und vor allem jederzeit und von jedem Ort aus Daten zu liefern.
Im ‚freiwilligen Engagement und
Gehorsam‘ der Mitglieder sozialer Netzwerke bilden sich bestimmte Formen des
Zeitgebrauches im Alltag heraus. Dazu gehören:
- ständige Erreichbarkeit, Eindringen in alle Lebensbereiche
- Erwartungshaltung einer schnellen Antwort,
- damit verbunden ist eine generelle Ungeduld,
- ständige Unterbrechungen bei anderen Handlungen/ anderen Lebensbereichen im Alltag,
- ein möglichst schneller Konsum,
was vor allem diesen ‚gierigen‘
Unternehmen dient. Schon deshalb, weil sie den Einzelnen auf diese Weise rund um die Uhr vereinnahmen
und ihnen keiner entrinnen kann, sind sie zu den Mächtigsten der Welt
aufgestiegen.
Literaturhinweise:
Coser, Lewis
A. (2015): Gierige Institutionen. Berlin.
De Campo, Marianne Egger (2014):
Neue Medien – alte Greedy Institutions. In: Leviathan. 42. Jg., 1/2014. S.
7-28. http://www.leviathan.nomos.de/fileadmin/leviathan/doc/Aufsatz_Leviathan_14_01.pdf
DGfZP (2014): Privat kommunizieren – digital vernetzt. Zeitpolitisches
Magazin Nr. 25. Jg. 11. www.zeitpolitik.de
Gut, pointiert und in prägnanter Kürze "gierige Institutionen" skizziert: wel done.
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