Anstelle eines Vorwortes - S. 13 - 36
Moderne Gesellschaften müssen
sich ständig dynamisieren und beschleunigen (Steigerungszwang), um sich reproduzieren zu können, erhalten zu
können!
Rosa, H. 2016: S. 14 |
Folge und Ursache: eine problematische
Weltbeziehung
lässt sich an drei Krisentendenzen
ausmachen:
1. Störung Verhältnis
zwischen Mensch und Natur (ökologische Krise)
2. Störung
Verhältnis in Beziehung zur Sozialwelt (Krise der Demokratie)
3. Störung
Verhältnis Individuen zu sich selbst (Zunahme psychologischer
Pathologien z.B. Burnout
Ressourcenoptimierung/ Ressourcenfixierung als Maxime eines
guten Lebens herrscht vor, Ressourcen, wie Erhöhung, Einkommen, berufliche
Verbesserung, fitter und schöner werden, Fähigkeiten erweitern, etc. gelten als
Indikator für Lebensqualität und Ziel der Lebensführung -
Damit wird, so Rosa, eigentlich die "Verwirklichung
eines guten Lebens strukturell untergraben!"
Wann leben wir eigentlich noch? Was macht das gute Leben tatsächlich
aus?
These Rosa: Qualität der
Weltbeziehungen/ Weltaneignung wichtig (Resonanzverhältnisse)!
1.
kann nicht nur individuell bestimmt werden,
sondern wird sozioökonomisch und soziokulturell vermittelt, gutes Leben wird
über gelingende oder misslingende Weltbeziehungen bestimmt
z.B. Tätigkeiten erfüllen
Menschen mit Freude, Identifikation und Glück, "wenn sie
ihren tätigkeitsbestimmenden Endzweck in sich selbst tragen" S.
23, Leben gelingt, wenn wir es lieben (es = Menschen, Räume, Aufgaben,
Tätigkeiten, Dinge im Alltag)
Das Leben ist dann "durch
offene, vibrierende atmende Resonanzachsen
gekennzeichnet" S. 26 - Rosa geht in diesem Buch nach, was
diese Resonanzachsen (Definition? - kommt bestimmt in einem Kapitel noch) ausmacht
und welche sozialen Bedingungen 'gute' Resonanzachsen ermöglichen
2.
über die aktive individuelle Stellungnahme zur
Welt, Art sich Welt anzueignen (Welthaltung) "anzuverwandeln
bestimmende
Faktoren können sein: institutionell (z.B. Orte für Resonanz oder
Nichtresonanz) und kulturell (Weltbilder)
aber nicht per se!
Analyse der jeweiligen Welthaltung u. Welterfahrung nötig
1.
Dispositionen Subjekt (körperlich, emotional,
psychisch, biografisch, sozial)
2. institutionelle,
kulturelle, kontextuelle, physische Konfiguration der jeweiligen
Weltausschnitte
3.
Art der Beziehung zwischen diesen
(Passungsverhältnis)
"Weltbeziehungen und Weltverhältnisse (sind) im
Ganzen immer auch und in einem erheblichen Maße kollektive soziale Verhältnisse
...; sie bilden sich in Institutionen und Praktiken heraus und sind in den
vorherrschenden Weisen des Seins, Denkens und Handelns im Sinne dispositiver
Formationen tief verankert." S. 33/34 - Weltbeziehungen als Resonanzverhältnisse wandeln sich historisch
und kulturell und werden von Subjekte und Objekte selbst mit hervorgebracht.
Rosa bringt dazu
im Kapitel zwei schöne Geschichten zur Illustration an.
Wo spüre ich eine gestörte bzw.
eine Resonanz in der Beziehung zur Welt? - eigene Beispiele:
Im Fitnessstudio, dass ich nicht oft und lange besucht habe, habe ich
einen gestörte Beziehung zur Umwelt und zu mir selbst gespürt. Hier habe ich von
Anfang an keine innere Freude am Sport und an der Bewegung an sich gehabt. Für
das Fitnessstudio ging es nur um einen festen Vertragsabschluss, um regelmäßige
Einnahmen (Maximierung der Einnahmen) und vor allem um die Erfassung und 'Vermessung'
der Erfolge des Einzelnen - regelmäßige Gewichtskontrolle, Kontrolle des
Muskelaufbaus in möglichst kürzester Zeit, etc. (Maximierung der körperlichen
Ressourcen).
Resonanz spüre ich auf langen Spaziergängen in der Natur oder bei der
Gartenarbeit. Hier spüre ich intrinsische Freude an dem, was ich tue, an der
Bewegung und ich liebe es in der Natur
und an der frischen Luft zu sein.
Literatur:
Rosa, Hartmut (2016): Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin.
Tatsächlich wird durch die Beschleunigung tief in das Verhältnis von Subjekt-Objekt eingegriffen. In dieser Beziehung - ein oft vernachlässigen Aspekt- ist immer auch der Rückbezug dieser Subjekt-Objekt-Erfahrung auf das Subjekt, die Selbstreferenz, oder auch Achtsamkeit als Wahrnehmung des Kontextes dieser Beziehung mitgedacht. Die Effekte von Beschleunigung lassen sich einfach beobachten während einer Autobahnfahrt: Die Objekte verlieren ihren Kontext, ihre "Geschichte", sie werden schemenhaft, unidimensional, und einseitig geordnet in der Fluchtperspektive des Fahrers. Auftauchende, unerwartete Objekte werden einseitig als Hindernisse wahrgenommen, die es zu umfahren gilt.
AntwortenLöschenWenn wir hingegen die andere Polarität des Zeitgeschehens betrachten, die der Musse, Ruhe, Meditation, erfahren wir, wie diese Selbstreferenz erst verstärkt wird zum dialogischen, in denen das Subjekt-Objekt-Verhältnis auch umgekehrt wird, und das Subjekt sich plötzlich aus dem Objekt wahrnimmt, bis hin zur Auflösung der Selbstreferenz zu Gunsten der Wahrnehmung des beide / alles umfassenden Kontextes. Charakteristisch dabei ist, dass das Nichts als Grund des Seins, die Stille als Grundlage des Klangs, die Dunkelheit als Grundlage von Farbe plötzlich ebenfalls in transzendenter Weise geahnt wird (sie kann nicht direkt wahrgenommen werden). Diese existenzielle Erfahrung allen Seins, eine in der Mystik thematisierte "Nicht-Erfahrung", ist auch die Grundlage einer nicht auf schematischen Regeln, Gesetzen und Kontrollfunktionen basierenden Moral und Ethik, sonder auf der Aktualisierung, also im Akt( = Handeln) umgesetzten, der Verbundenheit allen Seins, die in Momenten der Musse in unserem Bewusstsein kurz aufleuchten kann.
Durch den permanenten Stress, Zeitnot und Beschleunigung verlieren wir das, was wir altmodisch als Seele bezeichnet haben, und was ich strukturalistisch als Kontext bezeichnen würde und verwandeln uns in Zombies. Unheilvoll unterstützt wird diese Entwicklung durch die entsprechenden Medien, die uns mit Monstern und Gewaltszenen abfüllen, mit einer Bildung, die sich nur noch auf schematisches Wiedergeben und Abfragen von zusammenhangslosen und ebenso schemenhaften Informationen beschränkt und einem ebenso monokulturellem Konkurrenzdenken in der kapitalistischen Produktionsmaschinerie...
Ich habe verschiedene Ansätze verfolgt zu Fragen der Musse, des echten Luxus (der mit Musse zusammenhängt, und von dem die vergoldeten Kitschdinger und Markenacessoires nur ein falsches, pathologisches Zerrbild sind), zur Fragen der Unendlichkeit und Endlichkeit, Tod und Leben, die auch in diesen Zusammenhang gehören. Denn die Bejahung der Endlichkeit befreit uns von dem, was in der tiefsten Schicht diese Beschleunigung verursacht, die panische Angst vor dem Tod, zuwenig Zeit zu haben. In der Bejahung hingegen erfahren wir die Beschränkung als Ursprung tiefer Leidenschaft, Passion, Hingabe, an den jetzigen Moment und die Erfahrung von Transzendenz, die Erfahrung, dass wir Teil des Ganzen sind. Nur diese Elemente können uns von dem Wahnsinn befreien, und auch das ökologische Gleichgewicht mit der Erde wieder finden lassen. Eine echte Kulturpolitik (und Zeitpolitik) müsste genau diese Elemente fördern, statt dem hypermediatisierten immer schneller höher grösser....
J.&P.Toth
Herzlichen Dank für ihren sehr schönen und umfangreichen Kommentar zu meinem Blogbeitrag.
LöschenSehr gern können wir eine gemeinsame Diskussion zum Thema weiterführen.
MfG Elke Großer
ich würde mich freuen über eine weiterführende gemeinsame Diskussion, an deren Ende wir allenfalls ein Thesenpapier veröffentlichen könnten.
AntwortenLöschenHerzlichen Dank für ihren sehr schönen und umfangreichen Kommentar zu meinem Blogbeitrag.
LöschenSehr gern können wir eine gemeinsame Diskussion zum Thema weiterführen.
MfG Elke Großer