Montag, 14. März 2016

Hartmut Rosa: Resonanz - Ein Lesetagebuch/ Zusammenfassung II



Anstelle eines Vorwortes - S. 13 - 36

Moderne Gesellschaften müssen sich ständig dynamisieren und beschleunigen (Steigerungszwang), um sich reproduzieren zu können, erhalten zu können! 

Rosa, H. 2016: S. 14
Folge und Ursache: eine problematische Weltbeziehung 











lässt sich an drei Krisentendenzen ausmachen:

1. Störung Verhältnis zwischen Mensch und Natur (ökologische Krise)

2. Störung Verhältnis in Beziehung zur Sozialwelt (Krise der Demokratie)

3. Störung Verhältnis Individuen zu sich selbst (Zunahme psychologischer  

   Pathologien z.B. Burnout



Ressourcenoptimierung/ Ressourcenfixierung als Maxime eines guten Lebens herrscht vor, Ressourcen, wie Erhöhung, Einkommen, berufliche Verbesserung, fitter und schöner werden, Fähigkeiten erweitern, etc. gelten als Indikator für Lebensqualität und Ziel der Lebensführung -

Damit wird, so Rosa, eigentlich die "Verwirklichung eines guten Lebens strukturell untergraben!"



Wann leben wir eigentlich noch? Was macht das gute Leben tatsächlich aus?



These Rosa: Qualität der Weltbeziehungen/ Weltaneignung wichtig (Resonanzverhältnisse)!



1.     kann nicht nur individuell bestimmt werden, sondern wird sozioökonomisch und soziokulturell vermittelt, gutes Leben wird über gelingende oder misslingende Weltbeziehungen bestimmt

z.B. Tätigkeiten erfüllen Menschen mit Freude, Identifikation und Glück, "wenn sie ihren tätigkeitsbestimmenden Endzweck in sich selbst tragen" S. 23, Leben gelingt, wenn wir es lieben (es = Menschen, Räume, Aufgaben, Tätigkeiten, Dinge im Alltag)

Das Leben ist dann "durch offene, vibrierende atmende Resonanzachsen gekennzeichnet" S. 26 - Rosa geht in diesem Buch nach, was diese Resonanzachsen (Definition? - kommt bestimmt in einem Kapitel noch) ausmacht und welche sozialen Bedingungen 'gute' Resonanzachsen ermöglichen



2.     über die aktive individuelle Stellungnahme zur Welt, Art sich Welt anzueignen (Welthaltung) "anzuverwandeln

bestimmende Faktoren können sein: institutionell (z.B. Orte für Resonanz oder Nichtresonanz) und kulturell (Weltbilder)



aber nicht per se!



Analyse der jeweiligen Welthaltung u. Welterfahrung nötig

1.     Dispositionen Subjekt (körperlich, emotional, psychisch, biografisch, sozial)

2.     institutionelle, kulturelle, kontextuelle, physische Konfiguration der jeweiligen Weltausschnitte

3.     Art der Beziehung zwischen diesen (Passungsverhältnis)



"Weltbeziehungen und Weltverhältnisse (sind) im Ganzen immer auch und in einem erheblichen Maße kollektive soziale Verhältnisse ...; sie bilden sich in Institutionen und Praktiken heraus und sind in den vorherrschenden Weisen des Seins, Denkens und Handelns im Sinne dispositiver Formationen tief verankert." S. 33/34  - Weltbeziehungen  als Resonanzverhältnisse wandeln sich historisch und kulturell und werden von Subjekte und Objekte selbst mit hervorgebracht.



Rosa bringt dazu im Kapitel zwei schöne Geschichten zur Illustration an.



Wo spüre ich eine gestörte bzw. eine Resonanz in der Beziehung zur Welt? - eigene  Beispiele:

Im Fitnessstudio, dass ich nicht oft und lange besucht habe, habe ich einen gestörte Beziehung zur Umwelt und zu mir selbst gespürt. Hier habe ich von Anfang an keine innere Freude am Sport und an der Bewegung an sich gehabt. Für das Fitnessstudio ging es nur um einen festen Vertragsabschluss, um regelmäßige Einnahmen (Maximierung der Einnahmen) und vor allem um die Erfassung und 'Vermessung' der Erfolge des Einzelnen - regelmäßige Gewichtskontrolle, Kontrolle des Muskelaufbaus in möglichst kürzester Zeit, etc. (Maximierung der körperlichen Ressourcen).

Resonanz spüre ich auf langen Spaziergängen in der Natur oder bei der Gartenarbeit. Hier spüre ich intrinsische Freude an dem, was ich tue, an der Bewegung  und ich liebe es in der Natur und an der frischen Luft zu sein. 


Literatur:
Rosa, Hartmut (2016): Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin.


4 Kommentare:

  1. Tatsächlich wird durch die Beschleunigung tief in das Verhältnis von Subjekt-Objekt eingegriffen. In dieser Beziehung - ein oft vernachlässigen Aspekt- ist immer auch der Rückbezug dieser Subjekt-Objekt-Erfahrung auf das Subjekt, die Selbstreferenz, oder auch Achtsamkeit als Wahrnehmung des Kontextes dieser Beziehung mitgedacht. Die Effekte von Beschleunigung lassen sich einfach beobachten während einer Autobahnfahrt: Die Objekte verlieren ihren Kontext, ihre "Geschichte", sie werden schemenhaft, unidimensional, und einseitig geordnet in der Fluchtperspektive des Fahrers. Auftauchende, unerwartete Objekte werden einseitig als Hindernisse wahrgenommen, die es zu umfahren gilt.
    Wenn wir hingegen die andere Polarität des Zeitgeschehens betrachten, die der Musse, Ruhe, Meditation, erfahren wir, wie diese Selbstreferenz erst verstärkt wird zum dialogischen, in denen das Subjekt-Objekt-Verhältnis auch umgekehrt wird, und das Subjekt sich plötzlich aus dem Objekt wahrnimmt, bis hin zur Auflösung der Selbstreferenz zu Gunsten der Wahrnehmung des beide / alles umfassenden Kontextes. Charakteristisch dabei ist, dass das Nichts als Grund des Seins, die Stille als Grundlage des Klangs, die Dunkelheit als Grundlage von Farbe plötzlich ebenfalls in transzendenter Weise geahnt wird (sie kann nicht direkt wahrgenommen werden). Diese existenzielle Erfahrung allen Seins, eine in der Mystik thematisierte "Nicht-Erfahrung", ist auch die Grundlage einer nicht auf schematischen Regeln, Gesetzen und Kontrollfunktionen basierenden Moral und Ethik, sonder auf der Aktualisierung, also im Akt( = Handeln) umgesetzten, der Verbundenheit allen Seins, die in Momenten der Musse in unserem Bewusstsein kurz aufleuchten kann.
    Durch den permanenten Stress, Zeitnot und Beschleunigung verlieren wir das, was wir altmodisch als Seele bezeichnet haben, und was ich strukturalistisch als Kontext bezeichnen würde und verwandeln uns in Zombies. Unheilvoll unterstützt wird diese Entwicklung durch die entsprechenden Medien, die uns mit Monstern und Gewaltszenen abfüllen, mit einer Bildung, die sich nur noch auf schematisches Wiedergeben und Abfragen von zusammenhangslosen und ebenso schemenhaften Informationen beschränkt und einem ebenso monokulturellem Konkurrenzdenken in der kapitalistischen Produktionsmaschinerie...

    Ich habe verschiedene Ansätze verfolgt zu Fragen der Musse, des echten Luxus (der mit Musse zusammenhängt, und von dem die vergoldeten Kitschdinger und Markenacessoires nur ein falsches, pathologisches Zerrbild sind), zur Fragen der Unendlichkeit und Endlichkeit, Tod und Leben, die auch in diesen Zusammenhang gehören. Denn die Bejahung der Endlichkeit befreit uns von dem, was in der tiefsten Schicht diese Beschleunigung verursacht, die panische Angst vor dem Tod, zuwenig Zeit zu haben. In der Bejahung hingegen erfahren wir die Beschränkung als Ursprung tiefer Leidenschaft, Passion, Hingabe, an den jetzigen Moment und die Erfahrung von Transzendenz, die Erfahrung, dass wir Teil des Ganzen sind. Nur diese Elemente können uns von dem Wahnsinn befreien, und auch das ökologische Gleichgewicht mit der Erde wieder finden lassen. Eine echte Kulturpolitik (und Zeitpolitik) müsste genau diese Elemente fördern, statt dem hypermediatisierten immer schneller höher grösser....

    J.&P.Toth

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    1. Herzlichen Dank für ihren sehr schönen und umfangreichen Kommentar zu meinem Blogbeitrag.
      Sehr gern können wir eine gemeinsame Diskussion zum Thema weiterführen.
      MfG Elke Großer

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  2. ich würde mich freuen über eine weiterführende gemeinsame Diskussion, an deren Ende wir allenfalls ein Thesenpapier veröffentlichen könnten.

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    1. Herzlichen Dank für ihren sehr schönen und umfangreichen Kommentar zu meinem Blogbeitrag.
      Sehr gern können wir eine gemeinsame Diskussion zum Thema weiterführen.
      MfG Elke Großer

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