Donnerstag, 21. Dezember 2017

"Zwischen den Jahren",



ist eine Zeit des kollektiven Übergangs zwischen Weihnachten und Silvester, rhythmisch alle zwölf Monate folgend und zeitlich-linear im Kalender stattfindend. Sie ist eine Zeit des Jahresrückblicks, des Bilanz-Ziehens und des hoffnungsvollen Blicks auf das neue Jahr sowie des Pläne-Schmiedens. Eine Zeit der Besinnung, in der die Welt etwas "schläft", frei von Terminen und beruflichen Verpflichtungen.
Dieses Dazwischen ist eine Phase des "Nicht-Mehr" und des "Noch-Nicht".  Als Zwischenraum und Zwischenzeit, die Veränderungen markiert, trennt sie Neues vom Alten und sorgt für Abstand zwischen beiden. Sie sorgt für ein Fließen von Zeit, in dem das Jahr nicht etwa abrupt endet, sondern Zeit zum Verweilen,  zum Innehalten, zur Reflexion, zur Muße und zur Pause gibt.
Diese Übergangszeiten, von vielfältiger Art im Alltag, geben Orientierung und fungieren als Schutz vor Überforderung und sind wichtig "für gesellschaftliche, soziale und individuelle Integration und Stabilität". 1
So besteht das ganze Leben besteht aus Übergängen – zwischen Zeugung , Geburt und Tod. Übergänge gibt es im Rhythmus der Natur, als biologische, alltägliche oder  lebensphasenspezifische Übergänge sowie als kollektive, gesellschaftliche  oder politische Übergänge. Sie haben etwas Ungewisses, Schwebendes immanent, das ausgehalten werden muss.
Politisch befinden wir uns beispielsweise zur Zeit in einer Übergangsphase zwischen der Bundestagswahl und einer Regierungsbildung, die sich zäh dahin zieht und schon so lange dauert, wie noch nie.
Doch in einer Zeit der Kurzfristigkeit und des Digitalem werden diese Übergänge immer rarer, denn dem Menschen von heute ist die Unruhe und die Ungeduld permanent eingeschrieben. Die digitale Welt kennt keine Pausen und kein "Zwischen-den-Jahren" und macht keine Unterschiede zwischen Arbeitstagen, Sonntagen, Feiertagen, Weihnachten oder Silvester  – nonstop ist sie immer und überall omnipräsent. So hat in jedem zweiten Haushalt auch das Smartphone zu Weihnachten keine Sendepause und liegt selbst neben dem traditionellen Gänsebraten mit auf dem Tisch.
Ein Smartphone oder ein Tablet stehen schon bei Sechsjährigen ganz oben auf der Weihnachtswunschliste. Wenn die ganze Familie unterm Weihnachtsbaum auf ihre ständig flackernden Bildschirme starrt und schnell noch Videos oder Bilder von Geschenken und seinen Lieben in die ganze Welt postet oder likt, dann erreichen nebenbei u.a. eben auch die digitalen Werbe- und Konsumbotschaften, die beruflichen Mails ihre Empfänger oder der digitale Terminkalender meldet sich.  Die Mehrzahl der Berufstätigen, die zwischen Weihnachten und Neujahr ihren Urlaub nehmen, sind trotzdem für den Arbeitgeber erreichbar.
Und zwischen den Jahren werden die Einkaufstempel geradezu gestürmt, um Geschenke umzutauschen oder Gutscheine einzulösen, ohne eine Auszeit vom Konsumstress.
Diese Übergänge werden zunehmend individualisiert und zu einem kostbaren und knappen Gut. Jeder Einzelne muss für diese  – zwischen den Enden und den Anfängen – selbst Sorge leisten. Auf der Hitliste in Umfragen zu Wünschen im neuen Jahr stehen "Weniger Stress" und "Mehr Zeit" mittlerweile ganz oben. Wie wäre es, sich einfach mehr Übergänge im Alltag zu gönnen und sich die Vorteile dieser bewusst zu machen? Ein kurzes Innehalten zwischen den vielen Tätigkeiten auf der To-do-Liste, Zeiten des Ankommens, von Pausen oder des Sonnenuntergangs zu genießen, entschleunigt den Alltag.

Literatur:

Geißler Karlheinz A. (2008): Zeit – Verweile doch. Lebensformen gegen die Hast. Freiburg i. Breisgau.
Geißler, Karlheinz A. (2008): Alles Espresso. Kleine Helden der Alltagsbeschleunigung. Stuttgart.


1 https://www.brandeins.de/archiv/2010/auf-sicht/die-verpfaendung-der-zeit/

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